Bei E.T.A. Hoffmanns Erzählung Der Sandmann handelt es sich um ein so genanntes Nachtstück. Hoffmann hat die Erzählung selbst so bezeichnet, da sie zu seiner Sammlung Nachtstücke gehört. Die Bezeichnung Nachtstück gibt es aber nicht nur in der Literatur, sondern auch in der Malerei und der Musik. Was das Nachtstück mit der Nacht zu tun hat und was genau ist, erfahrt ihr im Folgenden.
Die Anfänge des Nachtstücks finden sich in der Malerei des Frühbarocks. Es handelt sich dabei um Bilder, deren Szenerie nicht durch Tageslicht, sondern durch künstliche Lichtquellen wie Fackeln, Lampen und Kerzen oder durch Mondlicht nur zum Teil erhellt wird. Das bedeutet auch, dass die Farben dunkler sind und nur bestimmte Stellen des Bildes, die durch die Lichtquelle(n) erhellt werden, bunter sind. Die dargestellten Szenen spielen sich also in der Nacht ab.
Auch in der Musik gibt es das Nachtstück. Hier wird es allerdings mit dem lateinischen Namen Nocturne bezeichnet. Es gibt die Nachtstücke etwa seit dem 18. Jahrhundert und es handelt sich dabei um Instrumentalstücke, die meistens von Blasinstrumenten draußen und am Abend aufgeführt werden. In der Romantik bezeichnet man dann Klavierstücke und Orchesterstücke mit einer schwermütig-träumerischen Grundstimmung als Nocturne.
In der Literatur kommt das Nachtstück in der Romantik auf. Es handelt sich um eine kurze Erzählung, die sich zum Teil mit Spuk- bzw. Geistererscheinungen und zum Teil mit merkwürdigen seelischen Erkrankungen auseinandersetzt. Es zeigt also die „Nachtseite“ der Dinge, wobei sich das Phantastische mit dem Realistischen vermischt.
In Bezug auf Hoffmanns Erzählung zeigt sich bereits in der Überschrift der Anklang an das Nachtstück, da der Sandmann eine Figur der Nacht ist, die den Kindern das Einschlafen erleichtern soll. In Nathanaels Fall ist der Sandmann durch die Geschichte der Amme eine schreckliche und angsteinflößende Gestalt, die bei ihm ein Trauma ausgelöst hat, das ihn auch noch im Erwachsenenalter beeinflusst. Hier wandelt sich aber die zentrale Rolle der tatsächlichen Nacht in der Kindheit in eine symbolische Nacht.
Das sieht man an den zahlreichen Formulierungen aus dem nächtlichen Bereich, wie die düsteren Träumereien, denen er sich hingibt, und seine düsteren Dichtungen. Außerdem ist von einer schwarzen Faust und schwarzem Gewölk die Rede. Der schicksalshafte Besuch des Wetterglashändlers Coppola ist zwar mittags um 12 Uhr, aber diese Uhrzeit lässt Raum für Assoziationen zur Geisterstunde, also Mitternacht. Genauso ist es auch bei der Turmszene, die ebenfalls zur Mittagsstunde spielt.
Es gibt einen Bezug zwischen gemaltem und literarischem Nachtstück, welcher besonders in Nathanaels Kindheit deutlich wird: Sein Vater und Coppelius experimentieren nachts und Nathanael versteckt sich im dunklen Wandschrank. Das versteckte Labor ist eine schwarze Höhle, die Männer tragen schwarze Kittel und nur die Gesichter werden von einer blauen Flamme erleuchtet. Die Szenerie erinnert an ein gemaltes Nachtstück.
Einen Bezug zur Nocturne in der Musik gibt es aber auch, denn Nathanael selbst ist besonders als Dichter schwermütig und träumerisch. Dies zeigt sich z.B. in dem Gedicht, dass er über Coppola verfasst. Dieser zerstört dort die Liebe zwischen Clara und Nathanael und bewirkt, dass Nathanael wahnsinnig wird.
Autorin: Kirsten Schwebel
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