Die Verwandlung: Motive

In Franz Kafkas Erzählung „Die Verwandlung“ stellt der Protagonist Gregor Samsa eines Morgens fest, dass er sich in einen großen Käfer verwandelt hat. Das Werk zeigt sein Leben und das seiner Familie nach diesem Ereignis bis zu Gregors Tod. Im Verlauf der Erzählung fallen insbesondere zwei Motive auf, die hier näher erklärt werden und für das Textverständnis von besonderer Bedeutung sind. Es handelt sich um die Türen zu Gregors Zimmer und die Verwandlung in einen Käfer. Außerdem fällt auf, dass die Erzählung einem Märchen ähnelt.

Die Türen zu Gregors Zimmer stehen sinnbildlich für seine Ausgeschlossenheit und Isolation. Vor der Verwandlung zeigt sich dies darin, dass Gregor auch zu Hause seine beiden Zimmertüren verschließt, wie er es vom Reisen her gewohnt ist. Darin kann man das Misstrauen gegenüber seiner Familie sehen und dass er sich auch zu Hause fremd fühlt.


Unmittelbar nach seiner Verwandlung gelingt es ihm unter großer Anstrengung, den Schlüssel umzudrehen und die Tür zu öffnen. Dies ist das letzte Mal, dass er selbst bestimmt, ob die Tür offen oder geschlossen ist, da danach die Schlüssel von außen stecken und Gregor innen eingesperrt wird. Dies stellt eine Entmündigung dar und auch bei jedem Versuch, das Zimmer zu verlassen, wird er brutal zurückgetrieben und schnell wieder eingesperrt.


Anfangs lauscht Gregor hinter der verschlossenen Tür den Gesprächen im Wohnzimmer, um wenigstens ein bisschen am Familienleben teilzunehmen. Nachdem der Vater ihn mit dem Apfel schwer verletzt hat, öffnet die Familie abends die Tür einen Spalt, um die Tat wiedergutzumachen. Dieses Öffnen bedeutet aber nicht, dass Gregor sein Zimmer verlassen darf, sondern lediglich, dass er aus der Dunkelheit seines Zimmers heraus – nun mit der Erlaubnis der Familie – den Gesprächen zuhören darf. Wird am späten Abend die Tür wieder geschlossen, schmerzt dies Gregor auch körperlich, da er seine Rückenwunde dann stärker spürt.


Gregor kann nicht aus seinem Zimmer hinaus und kann auch nicht kontrollieren, wer es betritt, was ebenfalls eine große Verletzung seiner Privatsphäre ist. So fühlt er sich durch die Bedienerin gestört, die morgens und abends bei ihm hereinschaut. Sie meint das zwar freundlich, aber Gregor will das nicht. Ihm wäre es lieber, wenn sie sein Zimmer reinigen würde.

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Die Verwandlung: Motive Teil 2

Es stellt die Frage, weshalb sich Gregor ausgerechnet in einen Käfer verwandelt, statt in ein angenehmeres Tier. Die Ursache hierfür ist in der Biografie des Autors zu finden. Wie Gregor hat Kafka selbst ein schwieriges Verhältnis zu seinem dominanten Vater. Dieser verwendet das Wort „Ungeziefer“ als Schimpfwort für Personen, die er geringachtet, z.B. bezeichnet er einen Freund seines Sohnes so. Außerdem benutzt er synonym das Wort „Schmarotzer“. Ein Schmarotzer ernährt sich von seinem Wirt, schadet dadurch dessen Gesundheit und fügt ihm obendrein noch Schmerzen zu. Auf Menschen bezogen bedeutet dies also, dass jemand gemeint ist, der auf Kosten anderer lebt, nichts zum Allgemeinwohl beiträgt – ganz im Gegenteil – und der auf andere Menschen einen schlechten Einfluss hat. Gregor verwandelt sich also in ein Ungeziefer/ Käfer, weil damit die negative Andersartigkeit Gregors für Franz Kafka selbst am eindringlichsten dargestellt wird.

Die Tatsache, dass Gregor sich eines Tages plötzlich verwandelt hat, stellt weder er selbst noch die übrigen vorkommenden Personen in Frage. Diese Selbstverständlichkeit des Wunderbaren rückt die Erzählung nah an die Gattung des Märchens. Jedoch handelt es sich bei Kafkas Werk um ein Anti-Märchen, da zwar Elemente des klassischen Volksmärchens aufgegriffen werden, sie aber ins Negative verkehrt werden. So ist Gregor als Ungeziefer ein ekelhaftes und abstoßendes Tier, dessen Gegenwart keiner gerne erträgt. Auch weiß man nicht, weshalb bzw. von wem er verwandelt wurde und am Ende gibt es keine Erlösung im Sinne einer Rückverwandlung, sondern Gregor stirbt einsam und vernachlässigt in seinem Zimmer. Es gibt auch niemanden, der ernsthaft an seiner Rückverwandlung interessiert ist und darauf hinarbeitet – im Gegenteil fordert die im Volksmärchen oft als Erlösergestalt fungierende Schwester am Ende sogar seine Beseitigung.


Es gibt aber auch Gemeinsamkeiten mit dem klassischen Märchen. So bleiben Zeit und Ort relativ wage, niemand hinterfragt das Wunder der Verwandlung und der Verwandelte selbst behält weitestgehend seine menschliche Identität. In Gregors Fall heißt das, dass er noch denkt und fühlt wie ein Mensch, aber sonst Verhaltensweisen und Essgewohnheiten des Tieres übernimmt.

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Autorin: Kirsten Schwebel



Dennis Rudolph
Über den Autor

Dennis Rudolph hat Mechatronik mit Schwerpunkt Automatisierungstechnik studiert. Neben seiner Arbeit als Ingenieur baute er frustfrei-lernen.de und weitere Lernportale auf. Er ist zudem mit Lernkanälen auf Youtube vertreten und an der Börse aktiv. Mehr über Dennis Rudolph lesen.