Johann Friedrich Oberlin lebt mit seiner Familie in Waldbach im Steintal. Er geht in seinem Beruf als pietistischer Pfarrer und seinem Glauben auf, weshalb für ihn Nächstenliebe selbstverständlich ist. Er nimmt Lenz aus diesem Grund bei sich auf, ohne weitere Fragen zu stellen und kümmert sich um ihn.
Oberlin ist Pfarrer und liebt diesen Beruf, der für ihn eine Berufung ist. Das sieht man beispielsweise daran, dass er die Gläubigen seiner Gemeinde regelmäßig zu Hause besucht und für jeden ein gutes Wort hat. Er kümmert sich um sämtliche Belange seiner Gemeinde, indem er den Menschen Trost spendet, ihnen einen Rat gibt oder sie auch zurechtweist, wenn es nötig ist. Die Leute vertrauen ihm und erzählen ihm, was sie im Innern bewegt und beten mit ihm zusammen. Oberlin sorgt sich aber auch um ganz praktische Dinge. So hilft er Wege anzulegen, Kanäle zu graben und unterrichtet auch in der Schule.
Als Lenz zu ihm kommt, nimmt er diesen freundlich bei sich zu Hause auf. Er ist frei von Vorurteilen und versucht auch nicht seinen Gast zu analysieren oder zu bedrängen, sondern er lässt diesen an seinem Leben teilhaben und integriert ihn in seine Familie. Lenz wird sein ständiger Begleiter im Alltag und Oberlin ist dies nicht unangenehm. Er mag Lenz und unterhält sich gerne mit ihm. Dessen Aufgeschlossenheit für den Glauben schafft auch direkt ein verbindendes Element, wobei Lenz Ausführungen ihm aber teilweise zu fern seiner Lebenswirklichkeit sind, sodass er ihm nicht mehr richtig folgen kann.
Als Lenz ihm einmal erzählt, dass ihm Traum seine Mutter als Tote erschienen sei, nimmt Oberlin diesen Traum ernst und erzählt Lenz ein vergleichbares Erlebnis, das er hatte, als sein Vater starb. Diese göttlichen Visionen als individuelle Glaubenserfahrung entsprechen ganz der pietistischen Überzeugung Oberlins. Dazu gehören auch der oben angesprochene praktische Eifer (Wege anlegen und Kanäle graben) und seine Frömmigkeit, die sich ganz und gar auf die Bibel stützt.
Dass Lenz zu ihm ins Steintal gekommen ist, sieht Oberlin als göttliche Fügung und hinterfragt Lenz‘ Anwesenheit daher nicht. Gerade diese selbstverständliche Akzeptanz von Gegebenem zeichnet Oberlin aus, was aber nicht heißt, dass er die Welt nicht verbessern möchte. Gemeint ist, dass er nicht mit dem Schicksal hadert, sondern sich damit auseinandersetzt.
Nachdem Oberlin allerdings in der Schweiz war, verändert er sein Verhalten Lenz gegenüber. Er hat auf seiner Reise mehr über seinen Gast und dessen Familie erfahren, sodass er nicht mehr so vorbehaltlos gegenüber Lenz ist. Er lobt nun das Leben eines Landgeistlichen, womit er darauf anspielt, dass Lenz sein Theologiestudium beenden soll, um dann als Pfarrer zu arbeiten. Außerdem drängt er ihn jetzt, dem Willen seines Vaters zu gehorchen und zu diesem zurückzukehren. Er ahnt allerdings nicht, dass er dadurch dazu beiträgt, dass sich Lenz‘ Zustand weiter verschlechtert.
Jetzt, da Oberlin über Lenz Bescheid weiß, fühlt er sich diesem gegenüber hilfloser. Er versucht zwar weiterhin ihn zu unterstützen und ihm zu helfen, aber es gelingt ihm nicht mehr in dem Maße wie vor seiner Schweizreise. Auch Lenz‘ Atheismus vermag er nicht entgegenzuwirken, weil er nicht versteht, wie Lenz denkt und fühlt. Sie haben sich voneinander entfernt und Oberlin kümmert sich nun hauptsächlich darum, dass sein Besuch sich nichts antun kann. Er schickt ihm Aufpasser mit und betet voller Inbrunst und Mitleid für dessen Genesung. Als er sich außerstande sieht, weiter so auf Lenz aufzupassen, dass dieser sich wirklich nicht umbringen kann, schickt er ihn zurück nach Straßburg. Dieser Schritt fällt ihm sicher nicht leicht, da er auch beinhaltet, dass Oberlin in Bezug auf Lenz gescheitert ist, auch wenn ihm die Gründe nicht komplett klar sind.
Autorin: Kirsten Schwebel
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