In Georg Büchners Erzählung Lenz hält sich der gleichnamige Protagonist und Dichter zur Genesung bei Pfarrer Oberlin im Steintal auf, weil er an Schizophrenie erkrankt ist. Sein Zustand verbessert sich aber nur zeitweise, so dass er am Ende von der Krankheit gebrochen und innerlich völlig leer zurück nach Straßburg geht und da bis zu seinem Tod lebt.
Die Erzählung beginnt an einem regnerischen Januartag mit Lenz‘ Wanderung durch die Berge nach Waldbach im Steintal. Dass Lenz psychisch krank ist, wird bereits hier deutlich. Die personifizierte Natur wirkt bedrohlich und stellt Lenz‘ Krankheit dar, gegen die er sich noch zur Wehr setzt. Sie spiegelt seinen inneren Zustand wider, denn er ist selbst so unruhig wie die ihn umgebende Natur.
Als sich das Wetter gegen Abend beruhigt, wird auch Lenz ruhiger. Er ist auf einem Berggipfel und fühlt sich in der hereinbrechenden Dunkelheit plötzlich ganz einsam da oben. Er rennt förmlich den Abhang hinunter, weil er das Gefühl hat, dass der Wahnsinn ihn verfolgt und einholen könnte. Als er ein Dorf und damit Menschen erreicht, ist die Gefahr erst mal gebannt und er fühlt sich besser.
Kurz darauf kommt er am Pfarrhaus in Waldbach an und wird von Familie Oberlin herzlich aufgenommen. Ihre vorbehaltlose Annahme führt dazu, dass Lenz sich direkt geborgen fühlt und gelöst erzählt. Als er aber im benachbarten Schulhaus untergebracht wird, weil im Pfarrhaus kein Platz mehr für ihn ist, fühlt er sich wieder einsam und hat das Gefühl von einer fremden Macht verschlungen zu werden. Um sich gegen den Wahnsinn zu wehren, fügt er sich Schmerzen zu und stürzt sich schließlich in den nicht sehr tiefen Brunnen. Das kalte Wasser bringt ihn wieder zur Besinnung und vertreibt den drohenden Wahnsinn. Er tut dies, um sich wieder zu spüren und nicht die Krankheit, die ihn zu besiegen droht.
Am folgenden Tag begleitet er Pfarrer Oberlin, der die Menschen in seiner Gemeinde besucht, bei dessen Hausbesuchen. Die Gespräche mit diesem tun ihm gut und auch Oberlin ist sein Begleiter angenehm. Am Abend befällt Lenz aber wieder die namenlose Angst vor dem Wahnsinn und erneut hilft ihm der Sprung in das kalte Wasser des Brunnens. Er hat insbesondere in der Nacht Angst, da er zu dieser Zeit alleine ist und die Finsternis draußen ihm aufs Gemüt schlägt.
In den nächsten Tagen lebt er sich ganz gut bei den Oberlins ein und die Krankheit quält ihn nachts vorläufig nicht mehr. Zusätzlichen Halt gibt ihm der Glaube, den Oberlin ihm in zahlreichen Gesprächen nahebringt. Er predigt sogar sonntags in der Kirche, was ihm ebenfalls gut tut, da die Menschen ihm interessiert zuhören und mit dem Gesagten mitfühlen können. In der folgenden Nacht erscheint ihm dann seine Mutter in einer Todesvision. Er erzählt Oberlin davon am nächsten Morgen, der dies nicht als Einbildung abtut, sondern sich mit ihm über göttliche Zeichen unterhält. Lenz meint, dass er von Gott berührt wurde und philosophiert mit dem Pfarrer über Harmonie, die in allen Dingen ist. Außerdem liest er viel in der Bibel, als er merkt, dass er nachts manchmal wieder unruhiger wird. Der Glaube gibt ihm einen tiefen Halt, sodass er langsam stabiler wird.
Als dann aber sein Dichterkollege Christoph Kaufmann mit seiner Verlobten ins Steintal kommt, ist Lenz dies erst einmal unangenehm, da dieser ihn an zu Hause und alle damit verbundenen unangenehmen Dinge erinnert, von denen er Abstand wollte. Im Gegensatz dazu hat Oberlin ihn vorbehaltlos aufgenommen, ohne Näheres über ihn zu wissen. Er akzeptiert ihn einfach, wie er ist, im Gegensatz zu seinem Vater. Deshalb tut Oberlin seinem Schützling so gut.
Beim späteren Abendessen diskutiert Lenz mit Kaufmann im sogenannten Kunstgespräch über Idealismus und Realismus. Das Gespräch ist vielmehr ein Monolog, der durch einen Einwurf Kaufmanns unterbrochen wird. Lenz ist vor allem auch als Schriftsteller in seinem Element und spricht völlig selbstvergessen. Kaufmann vertritt die idealistische Sichtweise, während Lenz durch und durch Realist ist, weshalb er der Meinung ist, dass man nicht versuchen soll durch eine idealistische Darstellung die reale Welt zu entwerten. Er sieht das als Kritik an Gott, da dieser die Welt als eine gute erschaffen hat und daher kann der Mensch nur das Vorhandene nachahmen. Das Wichtigste ist aus seiner Sicht, dass Kunst dadurch berührt, dass sie lebendig wirkt. Um das zu sein, darf sie sich nicht nach ästhetischen Gesichtspunkten richten, sondern wichtig ist es, sich in die kleinen Leute hineinzuversetzen und die Schönheit im Alltäglichen sichtbar zu machen. Nötig ist dafür eine Liebe zu den Menschen, die vorbehaltlos ist. Laut Lenz ist die Umsetzung dieser Lebendigkeit nur in der Literatur möglich, da Bilder per se starr sind. Daher lehnt er die Malerei – mit Ausnahme von zwei Werken, die ihn berührt haben – ab.
Nach dem Essen nimmt Kaufmann Lenz beiseite und ermahnt ihn, auf seinen Vater zu hören, der der Meinung ist, dass sein Sohn sein Leben verschleudert. Er erwartet, dass Lenz zurückkommt und etwas Anständiges macht, denn er hält nichts von dessen dichterischer Tätigkeit. Er will, dass sein Sohn sich ein Ziel im Leben steckt und darauf hinarbeitet, wie er es selbst getan hat. Lenz reagiert auf diese Forderungen ärgerlich, da er weiß, dass er den Abstand zu allem braucht, um nicht sofort den Kampf gegen den Wahnsinn zu verlieren. Er möchte einfach Ruhe zum Erholen, da es der Druck der Leistungsgesellschaft ist, der ihn krank gemacht hat.
Als Oberlin zwei Tage später mit Kaufmann in die Schweiz reist, verschlechtert allein der Gedanke an die Abwesenheit seiner Hauptbezugsperson Lenz‘ Geisteszustand. Er merkt, dass die Krankheit wieder ihre Schatten über ihn wirft. Er begleitet Oberlin und Kaufmann daher ein Stück ins Gebirge. Nach der Verabschiedung wandert Lenz ziellos und im Einklang mit der Natur durch die Berge. Als es dunkel ist, erreicht er eine Hütte, in der eine alte Frau, ein krankes Mädchen und ein Mann mit dem Ruf eines Heiligen leben. Lenz fühlt sich bei den seltsamen Menschen unwohl und schläft nur schwer ein. Am nächsten Morgen ist er bereits früh wach und ist froh, als er in Begleitung einiger Holzfäller zurück ins Steintal zu Leuten, die er kennt, gehen kann. Hinzu kommt, dass die Krankheit zurückkehrt, da er sich nun wieder einsam fühlt und sich vor sich selbst fürchtet.
Zurück in Waldbach stürzt in ein Gefühlschaos, das durch die Abwesenheit Oberlins noch verstärkt wird. Er isst wenig und nachts betet er viel und hat fieberähnliche Träume. Er fühlt sich teilweise traurig und erschöpft, dann wieder stark und gleichgültig. Um dem Wahnsinn nicht die Oberhand zu lassen, sucht er nach Zerstreuungen. Er malt oder liest und beschäftigt sich mit dem Kind des Pfarrers. Außerdem spricht er viel mit Madame Oberlin, die zwar wenig auf seine Ausführungen entgegnet, aber es tut ihm gut, sich ihr mitzuteilen. Sie kann ihm allerdings nicht den gleichen Halt geben wie ihr Mann.
Lenz fühlt sich innerlich immer leerer, fast schon wie tot, weshalb es ihn danach drängt, viel zu empfinden. Er stürzt sich daher in seinen Glauben und will, dass Gott ein Wunder durch ihn vollbringt, als er von einem toten Kind hört. Nach einem Fastentag hüllt er sich in Sack und Asche und geht zu dem Kind. Er beschwört Gott, es durch ihn wieder zum Leben zu erwecken. Als das aber misslingt, wird er wieder vom Wahnsinn gepackt und rennt ins Gebirge. Dort verfällt er ins andere Extrem und wird vom Atheismus erfasst. Gott erscheint ihm mit einem Mal klein und lächerlich. Mit der Abwendung von Gott kommt erst einmal Ruhe über ihn. Er fühlt sich nun kalt und leer und hat nun neben Oberlin auch die letzte Stütze verloren, die ihm gegen den Wahnsinn geholfen hat.
Die nächsten Tage sind geprägt von Zweifeln. Lenz schwankt zwischen dem Atheismus und der Angst vor einer Strafe Gottes wegen seines Abfalls vom Glauben. Als Oberlin kurz darauf aus der Schweiz zurückkehrt, hilft er Lenz nicht mehr wie zuvor. Er ermahnt ihn nun stattdessen, sich den Wünschen seines Vaters zu beugen und sein unstetes Leben aufzugeben. Lenz trifft das tief, da ihm die anfängliche vorbehaltlose Art Oberlins so gut getan hat. Dass dieser ihn nun in ähnlicher Weise wie Kaufmann ermahnt und sich damit in gewisser Weise von ihm abwendet, trägt zur weiteren Verschlechterung seines Krankheitszustandes bei. Dies zeigt sich beispielsweise darin, dass er meint, seine Geliebte, Friederike, aus Eifersucht getötet zu haben, weil sie ihn nicht erhört hat. Oberlin kann ihm das allerdings erst einmal ausreden und Lenz wird ruhiger.
In der Nacht stürzt sich Lenz mehrfach hintereinander in den Brunnentrog und schreit Friederikes Namen, bis er sich soweit beruhigt hat, dass er schlafen kann. Er ist ab da innerlich so leer, dass er alles als langweilig empfindet. Er verletzt sich wieder selbst und als Oberlin mitbekommt, dass Lenz sich aus dem Fenster gestürzt hat, um sich umzubringen, organisiert er den Schulmeister als Aufpasser für seinen Schützling.
Lenz‘ Zustand verschlechtert sich aber immer weiter, denn er beginnt teilweise wirr zu reden, ist unruhig und spürt in sich nur noch eine tiefe Leere. Die nächtlichen Wahnsinnanfälle werden ebenfalls häufiger und befallen ihn nun auch tagsüber. Immer wieder versucht er halbherzig, sich das Leben zu nehmen, aber durch den Atheismus ist ihm auch die Hoffnung auf ein besseres Jenseits genommen. Deshalb tötet er sich nicht, da es für ihn keine Rolle spielt, ob er lebt oder stirbt. Auch das Zufügen von Schmerzen hat nicht mehr die frühere Wirkung. Der Wahnsinn hat Lenz jetzt fest im Griff.
Oberlin sieht sich immer mehr außerstande, für Lenz Sicherheit zu sorgen. Daher schickt er ihn voller Mitleid und gut bewacht zurück nach Straßburg. Lenz hat mittlerweile völlig resigniert und den Kampf gegen die Krankheit aufgegeben. Umbringen kann er sich nicht, weil zu gut auf ihn aufgepasst wird. In Straßburg empfindet er das Leben nur noch als Last, die er bis zu seinem Tod zu tragen hat. In dieser tiefen Resignation gefangen und vom Wahnsinn besiegt lebt er bis zu seinem Tod ein scheinbar normales Leben.
Autorin: Kirsten Schwebel
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