Lenz ist in der Erzählung viermal im Gebirge. Jeder Aufenthalt dort stellt einen Höhepunkt in Bezug auf seinen wachsenden Wahnsinn dar, da sich sein Zustand danach immer weiter verschlechtert.
Bereits am Anfang der Erzählung, als Lenz eingeführt wird, hält er sich im Gebirge auf. Er ist auf dem Weg nach Waldbach im Steintal zu Pfarrer Oberlin, um sich dort zu erholen. Als er durch das Gebirge wandert, wird schnell klar, dass Lenz immer wieder von Wahnsinnsanfällen heimgesucht wird, denn es scheint, als ob er gegen die bedrohlich wirkende Natur kämpft. Erst als er gegen Abend auf einem Berggipfel ankommt, wird er ruhiger. Der Überblick über die ihn umgebende Landschaft verschafft ihm innere Ruhe, als ob er so auch sich selbst und sein Seelenleben überblicken kann.
Als Lenz jedoch eine Weile dort oben sitzt, wird er von einem großen Einsamkeitsgefühl übermannt. Er hat Angst vor sich selbst und ist nicht in der Lage sich zu beruhigen. Panisch rennt er dann den Berg hinunter und hat das Gefühl, dass er vom Wahnsinn verfolgt wird. Er kann diesem aber gerade noch entfliehen und beruhigt sich, als er die Lichter eines Dorfes vor sich sieht und wieder unter Menschen kommt.
Lenz ist sich seiner Erkrankung und dem drohenden Wahnsinn also bewusst und versucht diesem zu entgehen, bevor er völlig von ihm Besitz ergreift. Diese erste Gebirgsszene zeigt die Bedrohung durch die Schizophrenie und den akuten Zustand des Protagonisten. Dieser bessert sich aber anfänglich bei Oberlin, mit welchem er über Gott spricht und wo er eine tiefe Frömmigkeit erlebt. Die nächste Krise droht aber, als sein Dichterkollege Christoph Kaufmann ebenfalls zu Besuch kommt und Lenz ins Gewissen redet, dass er sich dem Willen seines Vaters fügen soll. Hinzu kommt außerdem noch, dass Oberlin mit Kaufmann in die Schweiz reisen will und Lenz dadurch seine Stütze und Hauptbezugsperson im Steintal verliert.
Als Oberlin und Kaufmann ihre Reise antreten, begleitet Lenz sie ein Stück und ist nun das zweite Mal im Gebirge. Auf einem Berggipfel trennen sich ihre Wege und Lenz geht allein und ziellos durch die Berge. Er ist ganz ruhig und verschmilzt förmlich mit der Natur, die ihn umgibt. Er fühlt sich wohl und träumt vor sich hin. Als es dunkel ist, kommt er zu einer Hütte, in der ein krankes Mädchen, eine alte Frau und ein als Heiliger verehrter Mann leben. Die Situation ist Lenz unheimlich, denn die alte Frau singt die ganze Zeit Kirchenlieder, während das kranke Mädchen leise – mal mehr, mal weniger verständlich – singt. Der alte Mann dagegen betet viel. Lenz findet dadurch nur schwer in den Schlaf und nachdem er am nächsten Morgen erwacht ist, kommen viele Leute, die zu dem Heiligen wallfahren. Lenz fühlt sich zunehmend unwohl bei den fremden Menschen und er ist wieder einsam.
Außerdem fürchtet er sich vor sich selbst und ist daher froh, als er in Gesellschaft einiger Holzfäller ins Steintal zu bekannten Menschen zurückkehren kann. In der zweiten Gebirgsszene zeigt sich also deutlich, wie schwer für Lenz die Änderung des Gewohnten ist. Sobald der positive und beruhigende Einfluss Oberlins weg ist, kehrt die Krankheit langsam zurück. Denn auch als er wieder im Steintal ist, befindet er sich in einem Gefühlschaos. Er versucht es zu ordnen, indem er mit Madame Oberlin spricht. Dies tut ihm zwar gut, aber sie hat nicht den Einfluss auf ihn wie ihr Mann. Hinzu kommt, dass er immer mehr von seinem neu entdeckten Glauben abfällt. Da er dies aber nicht hinnehmen möchte, steigert er sich in den Wahn, dass Gott an ihm ein Zeichen vollbringen will. Als der Erweckungsversuch eines toten Kindes scheitert, wird er vom Wahnsinn ergriffen und eilt zum dritten Mal ins Gebirge.
Lenz hadert mit Gott und das Gefühl, dass er selbst genauso mächtig wie Gott ist und ihn mit seinen Händen packen kann, um mit ihm von Mann zu Mann zu kämpfen. Als er in seinem Wahn einen Berggipfel erreicht, muss er laut über den Mond und den Himmel lachen. Er macht sich also über die Schöpfung Gottes lustig und mit seinem Lachen wird er plötzlich zum Atheisten und innerlich ganz ruhig. Diese Abkehr von Gott ist ein weiterer Schritt Richtung Wahnsinn, weil er dadurch die nächste Stütze in seinem Leben verliert. Er ist nun innerlich leer und wie ausgehöhlt und durch diese Sinnentleerung schafft er weiteren Raum für seine Krankheit. Auch die Rückkehr Oberlins kann daran nun nichts mehr ändern.
Der Wahnsinn breitet sich immer weiter aus und Lenz ist nicht in der Lage, sich dagegen zu wehren. Er versucht immer öfter sich umzubringen, so dass Oberlin sich nicht mehr länger in der Lage sieht, für seine Sicherheit zu garantieren. Deshalb hat Lenz immer einen Aufpasser bei sich und muss schlussendlich das Steintal und Oberlin verlassen.
Auf der Kutschfahrt zurück nach Straßburg ist Lenz das vierte und letzte Mal im Gebirge. Die Krankheit hat nun vollends Besitz von ihm ergriffen und er hat resigniert. In seiner Gleichgültigkeit ist es ihm egal, wohin man ihn bringt. Er fühlt sich innerlich wie tot und hat jede Hoffnung auf Genesung verloren. Als die Berge hinter ihm liegen, bekommt er wieder Angst und unternimmt einen letzten Suizidversuch, der aber durch seine Bewacher verhindert wird.
Dieser letzte Aufenthalt im Gebirge ist bezeichnend für sein weiteres Leben. Die innere Leere und Resignation vor der Krankheit sind nun seine ständigen Begleiter. Er lebt vor sich hin und hat jede Lebensfreude verloren, da er das Leben nur noch als Last empfindet. Ihm fehlt sogar die Kraft sich tatsächlich umzubringen. Daher schleppt er sich dahin, bis er eines Tages stirbt und dadurch von seinem beschwerlichen Leben erlöst wird.
Auffallend ist an den vier oben interpretierten Gebirgsszenen, dass die Naturbeschreibungen Lenz‘ inneren Gemütszustand widerspiegeln. So wie seine Gefühlslage sich verändert, so verändert sich auch die Natur. Weiter zur Interpretation der Naturbeschreibungen
Lenz geht hoch hinaus ins Gebirge, aber er stürzt sich auch hinunter in den Brunnen. Dies tut er immer, wenn er verzweifelt ist und das Gefühl hat, sich selbst zu verlieren. Damit ist der Brunnen das Gegenmotiv zum Gebirge. Weiter zur Interpretation Brunnenmotiv
Autorin: Kirsten Schwebel
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