Georg Büchners Erzählung Lenz entstand im Jahr 1835 und gehört damit zeitlich auf den ersten Blick zur literarischen Strömung des Vormärz. Dass dies aber nicht unumschränkt zutrifft, zeigen die folgenden Ausführungen.
Georg Büchners Erzählung Lenz lässt sich wie alle Werke des Autors nur schwer eindeutig einer einzigen Epoche zuordnen. Dies liegt daran, dass Büchner seiner Zeit voraus war, aber gleichzeitig durch sie geprägt wurde. Grundsätzlich lässt er sich zeitgeschichtlich am ehesten dem Vormärz zuordnen, welcher mit politischen Ideen auf die Restauration reagiert und eine liberale Bewegung in der Literatur darstellt.
Die Zuordnung zum Vormärz trifft auf Lenz in weiten Teilen zu, obwohl Büchner hier für seine Verhältnisse sehr unpolitisch ist. Jedoch übt er Gesellschaftskritik, da die Erzählung zeigt, wie jemand an den äußeren gesellschaftlichen Erwartungen psychisch zerbricht. Diese Thematik entspricht Büchners Neigung, da er den Fall des Dichters Lenz auch als Mediziner interessant findet. Er hat sich nämlich in seinen Studien intensiv mit dem Nervensystem befasst und verbindet in der Lenzerzählung seine Leidenschaft für die Medizin mit der für das Schreiben.
Lenz erkrankt an dem Erfolgsdruck der Gesellschaft und Büchner kritisiert, dass in ihr kein Platz für Menschen wie Lenz ist, die eben nicht dem Ideal der Leistungsgesellschaft entsprechen wollen oder können. Deshalb findet Lenz auch nur Ruhe außerhalb dieser Gesellschaft im ruhigen und abgelegenen Waldbach. Kaufmann erinnert ihn dort durch sein Auftauchen an all das, vor dem er geflohen ist – auch an seinen Vater, der stellvertretend für die Erwartungen der Gesellschaft steht. Lenz reagiert daher sehr unwillig und kritisiert, dass er nicht immer für ein besseres späteres Leben arbeiten will, sondern im Hier und Jetzt das Leben genießen will. Am Ende wird er dann unfreiwillig zurück in die Leistungsgesellschaft gebracht und passt sich äußerlich ihrer Lebensweise an, weshalb er seiner Umwelt nicht als krank auffällt, obwohl er innerlich völlig ausgebrannt ist.
Neben dieser Zuordnung zum Vormärz, trägt die Erzählung aber auch bereits realistische Züge, denn Büchner setzt im Lenz bereits einige Merkmale des Realismus um, obwohl diese Strömung eigentlich erst später anzusetzen ist. So behandelt Lenz ein reales und aktuelles Thema, da der Fall echt ist und stellt eine Reflexion über die gesellschaftlichen Ausprägungen seiner Zeit dar. Die Figur Lenz ist eine psychologisch differenziert ausgestaltet und die Wirklichkeit wird glaubhaft und damit realistisch dargestellt, was man an den genauen Ausführungen des Krankheitsverlaufs sieht. Daher kann man Büchner und sein Werk auch als frührealistisch bezeichnen.
Autorin: Kirsten Schwebel
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