Nathan der Weise: Interpretation / Analyse 4. Aufzug

Lessing schafft mit seinem Stück Nathan der Weise ein Sinnbild der Toleranz, da sich am Ende zeigt, dass die verschiedenen Personen und Anhänger verschiedener Religionen miteinander verwandt sind. Dieser Artikel interpretiert das Stück ausführlich und geht auf jeden Auftritt ein.

Übersicht Aufzüge:

Vierter Aufzug:

1. Auftritt:
Der Tempelherr kommt zum Kloster und trifft in den Kreuzgängen den Klosterbruder, der mit seinem Schicksal als Bote des Patriarchen hadert. Als er den Tempelherrn sieht, befürchtet er, dass er sich nun doch dem Mordkomplott an Saladin anschließen will, aber der Tempelherr kann ihn beruhigen und erklärt, dass er den Rat des Patriarchen in einer religiösen Angelegenheit braucht.

Als er ansetzt, die Situation mit Recha und Nathan zu erklären, unterbricht ihn der Klosterbruder sofort, da er sich nicht noch mit den Sorgen des Tempelherrn belasten will. Er stiehlt sich damit aus der Verantwortung, dem Tempelherrn helfen oder raten zu müssen. Ihm ist es schon unangenehm, dass er sich um die Angelegenheiten des Patriarchen kümmern muss, da er eigentlich der Welt den Rücken kehren will, um als Eremit zu leben.


2. Auftritt:
Als der Tempelherr den Patriarchen sieht, bereut er schon, dass er ihn überhaupt aufgesucht hat, da er ihm sein Prunk unsympathisch ist. Der Patriarch freut sich allerdings den Tempelherrn zu sehen, da er erwartet, dass dieser seinen Wünschen gemäß handeln will und seinen Rat annimmt. Der Tempelherr wendet aber ein, dass es nicht gut ist, wenn man blindlings handelt, nur weil es einem gesagt wird. Damit schränkt er die Überlegenheit des Patriarchen ein, für den nicht die menschliche Vernunft als oberstes Prinzip gilt sondern Gottes Wort, wobei er sich selbst als dessen Sprachrohr sieht. Damit steht in krassem Gegensatz zu dem vernünftigen Nathan, der zwar gläubig ist, aber immer auch seine Vernunft benutzt und sich von dieser leiten lässt.


Als der Tempelherr den Fall von Recha schildert, tut er so, als ob es nur um ein Gedankenspiel geht. Der Patriarch will ihm aber nur darauf antworten, wenn er sicher sein kann, dass es sich um einen realen Fall handelt, da er der Meinung ist, dass man sonst nicht weiter darüber nachdenken muss. Dies wäre etwas für das Theater, also pure Unterhaltung. Er ahnt aber, dass sich die Geschichte in Jerusalem tatsächlich ereignet hat und den Tempelherrn beschäftigt, denn sonst wäre dieser nicht zu ihm gekommen. Daher verweist er auf das Kirchenrecht, das besagt, dass der besagte Jude verbrannt werden muss.


Der Tempelherr bringt darauf mehrere Einwände, wie beispielsweise, dass der Jude das Mädchen wirklich liebt und es gestorben wäre, wenn er es nicht zu sich genommen hätte. Das lässt der Patriarch aber alles nicht gelten, da Gott laut ihm keinen Juden benötigt, um ein Kind zu retten. Er ist hart und unmenschlich, was den Tempelherrn zunehmend abstößt. Daher will er nicht weiter darüber sprechen und gehen. Dies erzürnt den Patriarchen, da er wissen will, um wen es sich handelt.

In seinem Eifer will er zu Saladin gehen, um das Kirchenrecht durchzusetzen. Dieser hat nämlich versprochen, die Christen sowie ihre Rechte und Gesetze zu beschützen. Dadurch hat er einen mächtigen Verbündeten, sodass der Jude seiner Strafe nicht entgehen kann. Der Tempelherr tut so, als ob er die Meinung des Patriarchen teilt und sagt ihm, dass er zu Saladin gerufen wurde und diesen auf das Treffen mit dem Kirchenfürsten vorbereiten will.

Da lenkt der Patriarch ein, da er bemerkt hat, dass der Tempelherr seinen Eifer nicht in diesem Maße teilt. Er vergewissert sich, dass der Fall nur ein theoretisches Gedankenspiel war und entlässt den Tempelherrn, um den Klosterbruder auf den Juden anzusetzen. Er soll herausfinden, um wen es sich handelt, damit diese Person entsprechend bestraft werden kann. Er ist sich nämlich sicher, dass er sich um einen realen Fall handelt und ist nicht bereit, den Juden ungestraft zu lassen.

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Interpretation 3. bis 5. Auftritt


3. Auftritt:
Sklaven tragen im Palast das von Nathan geschickte Geld herein. Saladin schickt Sittah die Hälfte davon und will den Rest seinem Vater schicken, da er nicht gut mit Geld wirtschaften kann. Er befürchtet, dass es ihm sonst einfach durch die Finger rinnt und beschließt, den Armen erstmal nichts mehr zu geben, um zu sparen, bis die erwarteten Gelder aus Ägypten eintreffen.


Unterdessen kommt Sittah und zeigt Saladin ein Bild ihres verschollenen Bruders Assad, das die beiden mit dem Tempelherrn vergleichen wollen. Sittah setzt sich an die Seite, als der Tempelherr angemeldet wird, um nicht zu stören. Sie zeigt dadurch, dass sie ihren Bruder als Oberhaupt akzeptiert.


4. Auftritt:
Der Tempelherr kommt herein und sieht sich als Gefangener des Sultans. Dieser betont aber, dass er ihm neben seinem Leben auch die Freiheit geschenkt hat, was den Tempelherrn dazu veranlasst, sein Leben als Dank in seinen Dienst zu stellen. Damit macht er sich von Saladin abhängig, ohne dass dieser es von ihm fordert. Er will lediglich, dass der Tempelherr es nicht gegen ihn einsetzt, was er auch gar nicht vorhat, da er sich nicht an der Verschwörung des Patriarchen beteiligen will.

Saladin fragt ihn, ob er bei ihm bleiben möchte. Dabei ist es ihm wichtig zu betonen, dass daran keine Bedingungen wie eine Konversion zum Islam gebunden sind, da er tolerant ist. Diese Bitte und die damit verbundene Toleranz veranlassen den Tempelherrn ihm nicht nur sein Leben zu unterstellen sondern seine ganze Person. Er ist Saladin gegenüber nun noch positiver eingestellt. Die beiden reichen sich als Zeichen ihrer Freundschaft die Hand.


Dann lenkt Saladin das Gespräch auf Nathan, der noch nicht da ist. Als der Tempelherr sehr kühl darauf reagiert, hakt der Sultan nach und bittet ihn, ihm anzuvertrauen, was passiert ist. Nach und nach erzählt der Tempelherr von seiner Enttäuschung, als Nathan zögerlich auf seinen Heiratsantrag reagiert hat. Er denkt nur Schlechtes von seinem Freund und steigert sich in seine Ablehnung so weit hinein, dass er sogar damit droht, ihn durch das Kirchengericht bestrafen zu lassen. Das würde bedeuten, dass Nathan auf dem Scheiterhaufen verbrannt wird.

Saladin erkennt, dass der Tempelherr sich lediglich in Rage geredet hat und wirkt beruhigend auf ihn ein, indem er ihn daran erinnert, wie wichtig Toleranz ist. Seine Worte fallen fruchtbaren Boden und der Tempelherr beruhigt sich wieder. Außerdem gibt er zu, dass ihn die Blutgier des Patriarchen abgeschreckt hat. Saladin ist zwar ein wenig enttäuscht, dass er zuerst zum Patriarchen gegangen ist, bevor er ihn um Rat gefragt hat, aber er verspricht zwischen seinen beiden Freunden zu vermitteln und versichert dem Tempelherrn, dass er Recha heiraten kann. Dann schickt er ihn los, um Nathan zu holen.

5. Auftritt:
Sittah und Saladin unterhalten sich über den Tempelherrn und auch Sittah ist die große optische Ähnlichkeit zu Assad aufgefallen. Saladin betont noch die Ähnlichkeit ihres Charakters, da sein Bruder genauso aufbrausend war wie der Tempelherr. Sittah bedauert, dass er nicht nach den Eltern des Tempelherrn gefragt hat, da die Ähnlichkeit so groß ist, dass der Tempelherr Assads Sohn sein könnte. Saladin hält das ebenfalls für möglich, da sein Bruder bei den Christinnen sehr beliebt war und er sie selbst auch sehr anziehend fand.


In Bezug auf Recha ist Saladin der Meinung, dass Nathan als nichtleiblicher Vater kein Recht dazu hat, die Hochzeit mit dem Tempelherrn zu verweigern. Sittah ist neugierig auf das Mädchen und bittet ihren Bruder nach ihr schicken zu lassen. Außerdem wäre es leichter möglich, die Hochzeit durchzusetzen, wenn Recha nicht mehr in Nathans Einflussbereich ist. Grundsätzlich teilt der Sultan diese Einstellung, aber er will seinen Freund Nathan auch nicht vor den Kopf stoßen und bittet seine Schwester daher um Behutsamkeit, damit Nathan nicht das Gefühl hat, dass man ihm das Mädchen wegnehmen will.

Sittah verspricht es und Saladin will nun selbst nach Al-Hafi suchen, da dieser schon länger nicht mehr aufgetaucht ist. Er weiß nicht, dass sein Schatzmeister einfach gegangen ist, da dieser sich nicht abgemeldet hat, sondern einfach verschwunden ist.

Interpretation 6. bis 8. Auftritt


6. Auftritt:
Nathan zeigt Daja die wertvollen Stoffe, die er für sie von seiner Reise mitgebracht hat. Sie denkt aber nur an die Hochzeit von Recha und dem Tempelherrn. Sie sagt Nathan, dass sie sich nicht mehr bestechen lässt und nicht mehr länger über Rechas wahre Herkunft schweigen kann, da es ihr wichtig ist, dass sie wieder als Christin unter Christen lebt. Nathan betont, dass er nichts gegen den Tempelherrn als Schwiegersohn einzuwenden hat, er aber noch ein paar Dinge herausfinden will. Daher bittet er Daja darum, noch ein paar Tage zu schweigen.

Bevor sie darauf aber antworten kann, kommt der Klosterbruder, um mit Nathan zu sprechen. Während Daja ihn fragt, was er will, überlegt Nathan, wie er mehr über den Tempelherrn in Erfahrung bringen kann, ohne zu verraten, warum er das wissen will. Er will nämlich nicht riskieren, dass vielleicht unnötigerweise zu viele Leute wissen, dass er nicht Rechas leiblicher Vater ist. Er hätte dann nämlich zu befürchten, dass man ihm das Mädchen wegnehmen könnte.


7. Auftritt:
Während Nathan noch immer grübelt und sich wünscht, dass er für Recha immer ihr Vater bleibt, nähert sich der Klosterbruder. Nathan erkennt ihn nicht, weswegen er ihm seine Lebensgeschichte rückwärts erzählt und andeutet, Nathan etwas Wertvolles gegeben zu haben. Dieser kann mit seinen Andeutungen nichts anfangen und wird ein wenig ungeduldig. Der Klosterbruder erklärt ihm aber erst, in welcher Gefahr sich ein gewisser Jude befindet, da dem Patriarchen zu Ohren gekommen ist, dass es einen gäbe, der ein Christenmädchen aufgezogen habe und dies sei eine schwere Sünde.

Nathan ahnt daraufhin, dass der Klosterbruder etwas weiß und dies bestätigt sich auch, da er es war, der Nathan damals die wenige Wochen alte Recha im Auftrag seines Herrn Wolf von Filnek brachte. Dieser war Nathans Freund und konnte sein Kind nicht mit in den Krieg nehmen und ließ es Nathan bringen, da seine Frau bei der Geburt des Mädchens gestorben war. Er selbst starb auch kurz darauf und der einstige Reitknecht wurde zum Einsiedler, der vor kurzem von Arabern überfallen und verschleppt wurde. Er konnte fliehen und wurde vom Patriarchen aufgenommen, der ihm eine neue Siedelei versprochen hat. Nun ist er aber schon seit einer Weile in Jerusalem und muss unbequeme Aufträge für diesen erledigen, wie beispielsweise den besagten Juden ausfindig machen.


Der Klosterbruder ist zwar der Untergebene des Patriarchen und von diesem abhängig, aber er hat Nathan dennoch nicht verraten, obwohl er sofort wusste, um wen es sich handelt. Ihn schrecken das pompöse Auftreten und seine Skrupellosigkeit ab, weshalb er sich regelmäßig von diesem distanziert. Auch Nathan macht er klar, dass er dessen Ansichten nicht teilt, da er selbst der Meinung ist, dass Nathan gut und richtig gehandelt hat. Denn nur wenn er das Kind als sein eigenes aufzieht, kann er ihm die Liebe schenken, die es braucht. Seine Toleranz geht sogar noch weiter, indem er sagt, dass er die Streitereien und Kämpfe zwischen Juden und Christen sehr bedauert. Außerdem vergessen die Christen oft, dass Jesus selbst auch Jude war und sich das Christentum somit auf das Judentum aufbaut.


Dies veranlasst Nathan dazu, ihm seine eigene Lebensgeschichte anzuvertrauen. Er erzählt, dass seine Frau und seine sieben Söhne drei Tage bevor er Recha bekam von Christen bei einem Pogrom verbrannt wurden. Er selbst verfluchte darauf die Christen und haderte mit Gott. Als er gerade bereit war, sich diesem wieder zuzuwenden und sein Schicksal zu akzeptieren, wurde Recha zu ihm gebracht. Der Klosterbruder ist tief beeindruckt und nennt Nathan einen wahren Christen. Damit macht er ihm das größte Kompliment überhaupt und drückt seine Wertschätzung aus.

Nathan geht es mit dem Klosterbruder genauso und gemeinsam überlegen sie, wer aus Rechas Familie noch lebt. Denn Nathan will ihr ihre leibliche Familie nicht vorenthalten. Sie kriegen noch zusammen, dass Rechas Mutter die Schwester eines Conrad von Stauffen war. Dem Klosterbruder fällt nach einigem Nachdenken noch ein, dass er ein kleines Gebetbuch seines Herrn hat, in welchem dieser sämtliche Verwandte auf Arabisch notiert hat. Während er geht, um es zu holen, überlegt Nathan, wer ihm bei Patriarchen angezeigt hat. Er befürchtet, dass es Daja war, da sie nun schon mehrfach gesagt hat, dass sie nicht mehr über Rechas Herkunft schweigen kann.


8. Auftritt:
Daja kommt aufgeregt herbei und erzählt, dass Sittah nach Recha schicken lässt. Nathan ist gedanklich noch mit dem Patriarchen beschäftigt und fragt mehrfach nach diesem. Daja beteuert, von diesem weder etwas gehört noch gesehen zu haben. Nathan will aber sicherheitshalber selbst mit den geschickten Boten sprechen, da er eine Falle des Patriarchen befürchtet.


Dajas Ängste gehen derweil in eine ganz andere Richtung. Sie kann sich nämlich vorstellen, dass der Sultan Recha für seinen Harem haben möchte. Dadurch wäre aber ihr Plan, wieder zurück nach Europa zu kommen, gefährdet. Deshalb beschließt sie, Recha unterwegs von ihrer Herkunft zu erzählen. Sie denkt in diesem Moment wieder nur an sich selbst und nicht daran, was sie dadurch in Recha auslöst und welche Folgen dies auch für Nathan haben kann.

Autorin: Kirsten Schwebel

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Dennis Rudolph
Über den Autor

Dennis Rudolph hat Mechatronik mit Schwerpunkt Automatisierungstechnik studiert. Neben seiner Arbeit als Ingenieur baute er frustfrei-lernen.de und weitere Lernportale auf. Er ist zudem mit Lernkanälen auf Youtube vertreten und an der Börse aktiv. Mehr über Dennis Rudolph lesen.